PRÓXIMA CHARLA


PRÓXIMA CHARLA:


"Siguiendo el rastro de los olores", Laura Lopez-Mascaraque, Investigadora Científica del CSIC en el Instituto Cajal, presidenta de la Red Olfativa Española. Moe Club, C/ Alberto Alcocer 32, Madrid, miércoles 24 de abril a las 19:00.


Versión en alemán: "Coronavirus. Zeit gewinnen"


This text was written on March 9th, 2020, by Dr. Margarita del Val, Ph.D., former Alexander-von-Humboldt Stiftung fellow, who researched in Germany in Virology and Immunology, and is now a Senior Scientist in Madrid, Spain, at CBMSO, Centro de Biología Molecular Severo Ochoa (CSIC-UAM). On that day, the coronavirus case count in Spain was 1,204 with 29 deaths. As of March 16th, 2020, the number of casualties in Spain has increased to 330. A mere week later, 11 times as many.

Hallo,

Ich bin Virologin und Immunologin, aber keine Epidemiologin.

Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zum Verständnis dessen, was gerade mit dem Coronavirus geschieht, darin: Wir müssen von der Ebene des Individuums auf die Ebene der Epidemie übergehen und erkennen, dass es die Gesellschaft ist, die darunter leidet.

Bisher vermisse ich Erklärungen, warum so ungewöhnliche Eindämmungsmaßnahmen getroffen werden. Daher möchte ich versuchen, Erkärungsansätze zu liefern. In Kürze für diejenigen, die nicht mehr lesen wollen: Diese Maßnahmen werden nicht nur zum individuellen Schutz eines jeden von uns ergriffen, sondern vor allem zum Schutz der Schwachen und derer, die uns heilen. Letzteres bedeutet, die Mitarbeiter des Gesundheitswesens davor zu bewahren, massiv überlastet und selbst massenhaft krank zu werden. Wir müssen sie schützen, damit sie uns schützen können.

Meiner Meinung nach muss man dazu einige Punkte verstehen:
Zuächst scheint die Sterblichkeitsrate etwas höher zu sein als bei der Grippe. Zugleich ist aber die am meisten gefährdete Patientengruppe ähnlich. Von der Grippe zu sprechen, ist daher nicht sehr weit von dem entfernt, was Covid-19 ist. (Auch die Grippe ist übrigens gar nicht so banal, wie wir oft denken. Es wird geschätzt, dass in den letzten beiden Wintern zwischen 6.300 und 15.000 Todesfälle auf die Grippe in Spanien zurückzuführen sind. Das ist viel mehr als durch Verkehrsunfälle.) Besondere Aufmerksamkeit müssen wir also den Menschen mit Vorerkrankungen und älteren Menschen widmen: Die Sterblichkeit durch Coronaviren in China verdoppelt sich ungefähr mit jedem Jahrzehnt und erreicht 14,8% bei den über 80-Jährigen. Wenn man nun also auf das eigene Alter herunterrechnet, besteht auf individueller Ebene somit wenig Grund, sich übermäßig zu sorgen. Wenn wir Symptome haben, wegen derer wir auch bei einer Grippe nicht zum Arzt oder nicht einmal zum Telefon gehen würden, wenn wir nicht in Kontakt zu einer infizierten Person oder an gefährdeten Orte unterwegs waren, müssen wir nur die Anweisungen des Gesundheitsministeriums lesen, ruhig bleiben und vermeiden, aus Angst medizinische Zentren durch zu großen Ansturm zu überlasten.

ABER (und ich möchte nicht beunruhigen): auf kollektiver Ebene gibt es wichtige Unterschiede, die diese Vorsicht, die strikten Quarantäneregelungen, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen rechtfertigen. Denn das ist der eigentliche Inhalt des Wortes Epidemie: dass die Auswirkungen auf kollektiver Ebene, auf gesellschaftlicher Ebene, und nicht nur auf individueller Ebene stattfinden. Und diese wichtigen Unterschiede sind die folgenden:
Es handelt sich um ein neues Virus, und die Wissenschaft weiß nur sehr wenig darüber. Deshalb kann sie nur sehr wenig vorhersagen. Wir Wissenschaftler arbeiten hart und versuchen, so viel wie möglich zu verstehen. Bisher haben wir nichtsdestotrotz weder ein Antivirenmittel noch einen Impfstoff. Im Gegensatz zur Grippe, für die wir Medikamente und Impfstoffe haben (die natürlich noch besser werden können, aber immerhin haben wir sie).

Wir wissen nicht einmal, ob es der Wissenschaft gelingen wird, Impfstoffe gegen Corona herzustellen; es ist möglich, aber solange wir sie noch nicht haben, wissen wir es nicht. Wir haben Impfstoffe gegen einige wenige Infektionskrankheiten, aber vergessen wir nicht, dass es Infektionen gibt, die trotz enormer weltweiter wissenschaftlicher Anstrengungen resistent sind, wie HIV oder Dengue-Fieber, Malaria oder Tuberkulose und viele andere.

Abgesehen von dem fehlenden Impfschutz ist das Coronavirus auch viel ansteckender als die Grippe -vielleicht weil wir in der Vergangenheit eine gewisse Immunität gegen der Grippe entwickelt hatten - während wir gegenüber dem neuen Coroavirus völlig naiv sind, quasi unbewaffnet. Unser Immunsystem kennt das Virus bisher nicht und weiß daher noch gar nicht, wogegen es sich da wie schützen muss. Und dieser Unterschied wird mit jeder weiteren Ansteckung größer, da jede weitere Ansteckung zu noch mehr Ansteckungen führt.

Etwa 1% der Bevölkerung erkrankt jedes Jahr während der Wintersaison an der Grippe (d.h. mit Symptomen stark genug, um zum Arzt zu gehen). Das bedeutet, dass der einzelne von uns bestenfalls gar nicht weiß, wie sich eine Grippe anfühlt - denn statistisch bekommen wir nur eine in 100 Jahren (Bitte verwechseln Sie eine echte Influenza-Grippe nicht mit anderen, leichteren Infektionen mit ähnlichen Symptomen, wie z.B. einer Erkältung mit Schnupfen). Weiterhin wird geschätzt, dass in Spanien jedes Jahr zwischen 30.000 und 50.000 Grippepatienten ins Krankenhaus eingeliefert werden, was einem Maximum von 0,1% der Bevölkerung entspricht. Diese 1% der jährlich mit der Grippe infizierten Patienten im Winter sind nun jedoch das, was das Gesundheitssystem gerade noch tragen kann. Unser Gesundheitssystem erreicht dabei seine maximale Sättigungsgrenze.

Beim Coronavirus hingegen kann theoretisch ein beträchtlicher Prozentsatz der Bevölkerung innerhalb von wenigen Monaten ohne Quarantäne oder Barrieren infiziert werden. Nun, nur ein Bruchteil der Infizierten wird Symptome haben - aber dieser Anteil der tatsächlich Kranken ist schwer zu schätzen. Angenommen, bis zu 17 % der Bevölkerung würden tatsächlich krank werden (aktuelle chinesische Daten), so würden im schlimmsten Fall 150 mal mehr schwer kranke Patienten auf einmal auf unser Gesundheitssystem zukommen - eine Zahl, die sämtliche Kapazitäten sprengt. Eine Zahl, der unser Gesundheitssystem nicht standhalten kann. Und aus diesem Grund, aus diesem Ansteckungpotential heraus können wir uns die freie Zirkulation des Coronavirus nicht leisten.

Daher sind strenge Quarantänmaßnahmen, die Rückverfolgung von Kontakten und alle weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Geschwindigkeit, mit welcher sich das Virus ausbreitet notwendig. Wir müssen erreichen, dass sich ein beträchtlicher Prozentsatz der Bevölkerung nur langsam infiziert. Wir müssen uns so viel Zeit wie möglich erkaufen, damit es hoffentlich 100 Jahre dauert, bis sich schlussendlich alle infiziert haben. Wir müssen Zeit gewinnen, damit es einen Impfstoff oder eine Behandlung gibt. Wir müssen Zeit gewinnen, um zu sehen, ob die Infektion im Sommer verschwindet. Oder ob sie - wie damals SARS - durch die getroffenen Eindämmungsmaßnahmen verschwindet. Wir müssen Zeit für die Entwicklung ein antiviralen Mittels gewinnen. Wir müssen Zeit gewinnen, um zu sehen, ob und wie die schwächsten unserer Mitmenschen überleben.

Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem nicht zusammenbricht. Denn in den schweren Fällen ist diese Krankheit viel weniger schädlich und viel weniger tödlich, wenn eine ausreichende Gesundheitsversorgung gewährleistet ist: mit ausreichend Sauerstoff, Hydratation, Fiebersenkung, Entzündungshemmung, Antibiotika bei Komplikationen, künstliche Lebenserhaltung... - Die Ärzte kennen das von anderen Lungenentzündungen. Worüber wir zugleich noch nicht viel wissen, sind eventuelle Virus-spezifische Pathologien, Folgen und Sterblichkeit. In China war die Sterblichkeit in der Stadt Wuhan am "Ground Zero" zwischen 8 und 30 Mal höher als in anderen Provinzen Chinas: "Auf die Frage, warum [in] Wuhan [die Sterblichkeitsquote] so viel höher sei als auf nationaler Ebene, antwortete der Beamte der Nationalen Gesundheitskommission Chinas, dass dies auf mangelnde Ressourcen zurückzuführen sei" (NHCC- und WHO-Tagung, 20. Februar 2020). Der Unterschied in Bezug auf vorhandene Ressourcen kam daher, dass sie in der chinesischen Provinz Hubei Zeit gewonnen haben und "nur" etwa 1 von 1000 Menschen infiziert wurde. Wir wollen nun diese Zahl weiter verbessern, indem wir alle uns auferlegten Maßnahmen anwenden. Um somit am Ende den Beschäftigten im Gesundheitswesen zu helfen,  ausreichende Ressourcen für ihre Arbeit zu haben.

Da die Epidemie gestoppt werden muss, muss sichergestellt werden, dass das Gesundheitspersonal in Quarantäne gestellt wird, sobald es unwissentlich einer kranken Person ausgesetzt war. So ist es beispielsweise auch bei Lungenentzündungen und Masern bereits gehandhabt worden. Wenn das Gesundheitspersonal auch nur leicht infiziert wird, muss es unter Quarantäne gestellt werden, um zu vermeiden, dass sie wiederum sehr anfällige Patienten infizieren, deren Infektionen wiederum die personellen Ressourcen im Gesundheitssystem schmälern.

Da die Epidemie gestoppt werden muss, ist es per Protokoll vorgegeben, dass die Erkrankten isoliert werden, je nach Schwere und verfügbaren Ressourcen im Krankenhaus oder zu Hause. Viele mild erkrankte Menschen werden die Infektion isoliert zu Hause auskurieren können.
Aber mit den notwendigen Isolationsmaßnahmen für die Schwerkranken wird das Gesundheitspersonal nicht in der Lage sein, uns angemessen zu versorgen, wenn 0,1% der Bevölkerung in wenigen Monaten ernsthaft erkranken. D.h. wenn die übliche Zahl der hospitalisierten Menschen erreicht wird, die die Grippe im Winter erreicht.

Nimmt man die Grippe als Maßstab, so würden wir uns in Zahlen zwischen 600 und 1.000 stationären Fällen pro Million Einwohner bewegen. Die Lombardei in Norditalien hat am Wochenende des Internationalen Frauentages mit etwa 350 Fällen pro Million Einwohner ein Niveau erreicht, das nahe an einem gesundheitlichen Notstand liegt. Es war daher notwendig, drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Personenbewegungen zu ergreifen. Zum Vergleich: in der chinesischen Provinz Hubei haben sie ein Maximum von 1.200 Fällen/Million erreicht. Deshalb mussten sie in wenigen Tagen 16 Krankenhäuser bauen und Zehntausende von Gesundheitsfachkräften aus anderen Provinzen rekrutieren.

Die Epidemie muss gestoppt werden, denn die Beobachtungen aus Italien und Spanien zeigen uns, dass sich innerhalb einer Woche oder zehn Tagen die Zahl der Fälle mit 10 multipliziert. Überschlagen Sie, welche Zahlen wir am Ende des Monats erreichen werden, wenn wir immer noch zögern, die empfohlenen Hygiene- und Eindämmungsmaßnahmen anzunehmen oder zu befolgen.
Die Unsicherheit ist so groß, sie ist so neu, dass wir nicht das Risiko eingehen können, nicht zu handeln.

Deshalb müssen wir alle von den Gesundheitsbehörden empfohlenen Maßnahmen der Eindämmung, strikten Quarantäne und Isolierung respektieren. Denn selbst wenn wir dies tun und mehr denn je auf die Bekämpfung einer Pandemie vorbereitet sind, sind wir auch globaler denn je - und damit prädispositioniert, eine Pandemie auszuweiten und zu verstärken.

Deshalb müssen wir nicht nur alle empfohlenen Maßnahmen buchstabengetreu befolgen, sondern auch vernünftig sein und unsere Kontakte einschränken. Denn es geht nicht nur darum, ob ich mich selbst anstecke oder nicht, sondern vor allem darum, ob ich andere Menschen anstecken kann oder nicht. Denken Sie daran, es ist eine Epidemie. Deshalb müssen wir die Gesundheitskongresse absagen. Vermeiden Sie daher Reisen, bei denen wir uns und andere Menschen aus unterschiedlichen Orten exponieren. Vermeiden Sie daher Menschenmengen, Partys und große Versammlungen. Wenn sie die Schule Ihrer Kinder schließen, schicken Sie sie deshalb nicht zu ihren Großeltern oder in den Park. Wenn sie die Universität oder das Institut schließen, bleiben Sie deshalb zu Hause, anstatt auf eine Party zu gehen. Gehen Sie, wenn Ihr Arbeitgeber das Unternehmen wegen eines Coronavirus-Falls schließt, nicht gleich aus, um etwas zu trinken, Ihre Mutter zu besuchen oder einzukaufen. Man schickt Sie nicht nach Hause, um Sie, der Sie stark, jung und gesund sind, zu schützen, sondern damit Sie nicht zu einem Virusüberträger werden, der durch die Ansteckung anderer zum Tod von anfälligeren Personen führen könnte. Zu der Gruppe anfälligerer Patienten könnten Sie sogar plötzlich selbst gehören, wenn Sie unerwartet an einer Blinddarmentzündung leiden und nicht behandelt werden können, weil das Gesundheitssystem bereits unter der Last der vielen Corona-Erkrankten zusammengebrochen ist. Die Überlastug des Gesundheitssystems durch Infektionsprävention zu vermeiden ist das Vernünftigste, was man tun kann.

Hoffentlich wird Covid-19 auf lange Sicht nur noch eine saisonale Krankheit sein, wie die Grippe und die vielen Atemwegsinfektionen, an denen wir regelmäßig leiden. Aber um dorthin zu gelangen, müssen wir durch die Welle der Epidemie gehen. Und diese Welle muss so langsam wie möglich sein. Wir müssen Zeit gewinnen, jede Verzögerung bei der Ausbreitung des Virus und der Ausbreitung der Epidemie ist wichtig und hilft uns und den Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Denn ja, die Verzögerung ist möglich, und die Verzögerung liegt in jedermanns Händen, selbst mit einfachen Maßnahmen (waschen Sie Ihre besagten Hände!), aber auch mit der Akzeptanz von harten Maßnahmen.

Abgesehen von einem Erklärungsversuch ist dies ein Aufruf zu Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, sobald wir die Daten, die wenigen Daten, die wir über dieses Virus kennen, haben. Die Verantwortung besteht nicht nur darin, nicht panisch zu reagieren, sondern auch an die anderen, unsere nächsten zu denken.

Un saludo,

Marga del Val


Geschrieben von Margarita del Val (CBMSO, CSIC-UAM), als Reaktion auf die Nachfrage nach Informationen in einem wissenschaftlichen Forum über die Gründe für solche außerordentlichen Eindämmungsmaßnahmen.

Übersetz von Felicitas Hengel, deutsche Medizinstudentin in Basel, die Schweiz.